„Hä, Google, was is’n das?“ – Ich habe die Worte meines Informatik-Dozenten noch im Ohr. „Informatik für Geisteswissenschaftler“ hieß die Veranstaltung, und unsere Aufgabe in diesem Seminar bestand darin, Webseiten mit JavaScript zu verändern. Meine Gruppe hatte sich die von Google vorgenommen, das war eine damals ganz neue Suchmaschine, die durch ein paar Revolutiönchen, die ich damals nicht verstand, auch die entlegensten Ecken des Internets ausfindig machte. Bis dato hießen unsere Suchmaschinen Fireball, Yahoo oder Altavista – das war dann aber schon High End.
Google kannte damals – das muss um die Jahrtausendwende gewesen sein – kaum jemand. Ein paar Jahre später gab es das Verb „googeln“ und ich weiß nicht mehr, ob wir davor „im Internet was suchen“, „bei Altavista suchen“ oder ganz was anderes dazu gesagt haben.
Das war mein Google-Moment. Danach war alles etwas anders als vorher.
Von der Such- zur Antwortmaschine
Und ich glaube, Dienstag, der 14.5.2024, wird in ein paar Jahren für viele einen ganz ähnlichen Charakter haben. Das wird der Tag gewesen sein, an dem viele verstanden haben: Da ändert sich ganz gehörig was in diesem Internetz.
Google will jetzt nicht mehr Suchergebnisse liefern, sondern Antworten. Ausgerechnet die Plattform, die bisher eine wichtige – wenn nicht sogar die wichtigste – Traffic-Maschine für einen Großteil des freien Internets war, wird zur geschlossenen Veranstaltung. „Klicks werden optionaler“ sagt meine Kollegin Sarah Stein (die übrigens seit einem Jahr genau vor diesem Szenario warnt) und ich würde den Komparativ streichen, denn vielleicht interessiert eine Blase aus Journalist:innen und Akademiker:innen weiterhin, woher eine Info stammt – den meisten Normalo-Usern sollte die reine Antwort auf ihre Frage aber reichen und diese gleich zu bekommen, ist einfach eine so viel bessere User Experience als eine Liste von Links zu durchwühlen.
In seinem Newsletter bei Platformer schrieb Casey Newton dazu heute Morgen:
“Like its much-smaller rivals, Google’s idea for the future of search is to deliver ever more answers within its walled garden, collapsing projects that would once have required a host of visits to individual web pages into a single answer delivered within Google itself.”
Er zeichnet auch nochmal explizit das größere Bild – es geht hier um nichts geringeres als das offene, freie Internet. Google – lange Zeit sehr um offene Standards u.ä. bemüht – geht hier anscheinend den Weg von Meta, Snapchat, X/Twitter, TikTok und all den anderen, die jeweils ihre eigenen Internets gebaut haben.
Google braucht uns nicht
Medien oder gar Journalist:innen braucht Google dafür dann nicht mehr, und uns wird an dieser Stelle wieder mal schmerzlich bewusst: Wir sind möglicherweise für den Alltag der meisten Menschen weniger wichtig, als wir glauben.
Ironischerweise ist es übrigens das Geschäftsmodell von Google, das hier als limitierender Faktor fungieren könnte, schreibt Newton:
“Google has more reason than most to move cautiously here: it supplies advertising to many of the web pages that are about to lose all that traffic, and stands to lose as visits to those pages disappear. But because the company maintains a stranglehold over much of the digital advertising market, it appears to be betting that it can ride out the transition and smooth out any bumps by pulling levers on its many other sources of revenue.”
Opel baut keine Nähmaschinen mehr
Ich glaube übrigens auch, dass wir uns gar nicht mal so sicher sein sollten, dass mit diesen Entwicklungen Google der dominante Player im Such-Game bleibt. OpenAI will ja auch in dieses Geschäft einsteigen, und das geht natürlich deutlich disruptiver, wenn man nicht einfach ein Vierteljahrhundert Such- und Anzeigen-Business weiterentwickelt, sondern wirklich neu denkt. Vielleicht sehen wir da am Horizont gerade schon das Ende der Suche, wie wir sie kennen - und damit auch das Ende von Googles Cash-Cow.
Aus meiner Perspektive: Wieder mal.
Opel baut ja auch keine Nähmaschinen mehr.
Titelbild: Mitchell Luo auf Unsplash