iSlaves und iHypes

Lesezeit: 3 Min., von Titus Gast gepostet am Wed, 27.1.2010
Tags: apple, blogosphäre, blogs, ipad, iphone, journalismus, mac

Ja, ich bin Mac-User. Seit mehr als 10 Jahren, immer noch gerne und aus Überzeugung. Aber es wird zunehmend schwerer, das öffentlich zu sagen. Manchmal ist es mir ein bisschen peinlich. Das liegt am Verhalten mancher Mitfans, und vor allem an dem, was wir Journalisten daraus machen.

Ein reichlich ausgelutschtes geflügeltes Wort besagt, Apple habe keine Kunden, sondern Fans. Ich ich habe mich in all der Zeit bemüht, ein bisschen auch Kunde zu bleiben. Will heißen: Ich kann eine Vorliebe für einen bestimmten Computerhersteller und ein bestimmtes Betriebssystem haben, ich kann das Ganze auch in der Handyversion toll finden. Aber ich muss ja nicht gleich in die Hosen machen, wenn „His Steveness“ eine Bühne betritt.

Apple stellt jedes Jahr mehrmals neue Produkte vor, meistens macht das der Chef selbst. Immer gibt es im Vorfeld Gerüchte in der Mac-Szene, die Spekulationen schießen ins Kraut, manche Fans machen sich einen Spaß draus, die tollsten Dinge zu erfinden und zu illustrieren. Angebliche Videos oder Fotos von neuen Apple-Produkten gehören in dieser Szene praktisch zur Folklore. Das war auch dieses Mal nicht anders. Aber in den letzten Monaten, ja Jahren – seit das iPhone so erfolgreich ist – nimmt der Hype Ausmaße an, die selbst einem hyperprobten Apple-Jünger nur noch verständnisloses Kopfschütteln abnötigen: Mehr als 100.000 Twitter-Nachrichten in einem Monat, einige Tausend Blogeinträge und über 5.000 YouTube-Videos sind schon eindrucksvolle Zahlen (nachzulesen bei ReadWriteWeb).

All das wäre erträglich, wenn es bliebe, was es ist: Traditions-Reflexe einer Subkultur, die sich in Fachblogs und auf Fan-Seiten abspielen und fester Bestandteil der PR-Strategie Apples. Wenn wir als Journalisten damit in Berührung kommen, sollten wir wie bei allem Fan-Gekreische Abstand halten und cool bleiben. Anstattdessen waren die Gerüchte über das jetzt vorgestellte iPad – wahlweise tituliert als iSlate, iTablet oder sonstwas – Gegenstand einer Vorberichterstattung, wie sie sonst bei technischen Geräten (denn darum geht es) aus guten Gründen absolut unüblich ist, oft ohne den Hinweis darauf dass es sich um Gerüchte handelte. Denn wenn man die Gerüchte mal ausblendete, blieb bis zum 27.1.2010 um 19 Uhr MEZ folgende Faktenlage: Apple-Chef Steve Jobs wird ein technisches Gerät vorstellen, das er sehr gelungen findet. Alles andere war reine Spekulation, und revolutionär war bis dato alleine die Tatsache, dass Steve Jobs im Vorfeld schon angekündigt hatte, dass er das neue Produkt (das er natürlich nicht nannte) toll findet. Meistens schweigt er vor solchen Terminen einfach.

Wenn nun in den kommenden Tagen das iPad durch vielen Medien wahlweise als die Rettung ganzer Industriezweige, als der Computer der Zukunft oder als Amazons Tod geistert, dann möge man einfach mal kurz innehalten und ein paar Jahre zurückblicken: Der erste iPod wurde 2001 vorgestellt. Braucht keiner, dachten damals wohl die meisten. 2007 wurde das iPhone präsentiert. Zum Kult-Handy avancierte es frühestens 2008, als die ersten 3G-Geräte kamen. Will heißen: Wenn das Teil wirklich heiß ist, weiß man das erst hinterher, wenn Menschen es angefasst, ausprobiert und entweder in die Ecke gelegt haben oder nicht mehr hergeben, wenn andere Hersteller versuchen, es zu imitieren, so gut es geht, und wenn – ganz einfach – Kunden das Gerät kaufen. Bis dahin ist es auch einfach ein potenzieller Flop.

Journalismus sollte – gerade auch im Internet – unterscheiden können zwischen Fakten und Gerüchten, und sollte das transparent machen. „Apple hat vielleicht was Neues“ ist genauso wenig grundsätzlich eine Meldung wert wie „Google überlegt, ob es vielleicht eine gute Idee wäre, dass…“. Wir berichten ja auch nicht von der Präsentation neuer Autos oder – sagen wir – Kaffeemaschinen, sondern allenfalls dann, wenn wir sie getestet und für revolutionär befunden haben.

So, und jetzt muss ich schauen, wo ich die 500 bis 900 Euro für mein iPad herbekomme.


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