Seit Jahren verfolge ich gerne so unselige Diskussionen wie die, ob Blogs die Zukunft des Journalismus sind, ob die Zeitung eine Zukunft hat oder ob Twitter der neue Journalismus ist, mit Amüsement und Unbehagen. Seit Jahren wundere ich mich darüber, wie eindimensional dabei immer gedacht und argumentiert wird: Hier die Journalisten, da die Blogger. Hier die Zeitungen, dort das Internet. Hier Bezahlinhalte, dort alles kostenlos.
Fast immer stelle ich fest: Die Wahrheit – genauer: das, was ich dafür halte – liegt irgendwo dazwischen – oder es gibt ganz einfach beides. Anders gesagt: Nein, natürlich sind Blogs nicht pauschal die Zukunft des Journalismus, aber manche sind doch besser als alles, was irgendwelche Medienhäuser hervorbringen. Nein, natürlich stirbt die Zeitung nicht einfach so aus, aber viele Zeitungen werden sterben. Nein, natürlich ist Microblogging (um das ganze nicht auf einen Anbieter zu beschränken) kein neues journalistisches Medium, aber mit so einem Kommunikationskanal (und eben nicht Medium) lässt sich im Onlinejournalismus verdammt viel anstellen.
Solche Diskussionen sind fast immer fruchtlos, weil die jeweils eine Seite sich nicht in die andere hineinversetzen kann. Wer sein Leben lang Zeitungen und gedrucktem Papier vertraut hat, dem kann es eigentlich nur Angst machen, wenn plötzlich jeder alles irgendwo veröffentlichen kann und dann auch noch Menschen so was lesen. Wer als Journalist gelernt hat, dass er die Welt zu erklären und deuten hat und das Publikum gnädig lauscht, dem kann es doch nur Angst machen, wenn eben dieses Publikum auf einmal mitreden, sich einmischen, womöglich gar in der Sache kompetenter sein will. Umgekehrt gilt aber auch: Wer täglich mit dem Internet als Recherche- und als Veröffentlichungskanal umgeht, wer gelernt hat, wie einfach es ist, dort sowohl völligen Blödsinn als auch unfassbar Sinnvolles zu finden und zu produzieren, der hat auch ein Gespür dafür entwickelt, medialen Müll von billiger Recyclingware und die wiederum von den häufig zitierten und selten gefundenen Qualitätsinhalten zu unterscheiden. Mir kommt bei so was der etwas sperrige Begriff „Medienkompetenz“ in den Sinn.
In den letzten Tagen haben mich zwei Ideen zur Zukunft des Journalismus ernsthaft beschäftigt. Das eine ist so etwas wie eine Forschungsidee von Publizist und Kommunikationsberater Michel Reimon, der vom „Projekt Postjournalismus“ spricht. Das andere ist eine Idee von Falk Lüke (dessen Beruf sich schwer in zwei knackige Worte fassen lässt): Er versucht (so wie ich das verstehe), die Frage zu klären, wie intelligenter Journalismus im Internet denn idealerweise aussehen müsste, wenn man mal versucht, nicht an seine gelernten Traditionen und wirtschaftlichen Zwänge zu denken.
Beide Denkansätze sind grundverschieden, werfen aber eigentlich die gleichen Fragen auf, die an immer mehr Stellen im Netz und bisweilen auch im richtigen Leben mal lauter, mal leiser zu hören ist: Was machen Journalisten eigentlich in Zukunft? Was machen sie, wenn ihre Arbeit – recherchieren, berichten, einordnen – auch von anderen gemacht werden kann? Wofür braucht dieses Internet Journalisten?
Wir leben in einer Welt, in der im Prinzip jeder veröffentlichen kann, was er will. Qualität ist dabei keine Frage der Ausbildung, sondern von Talent, Willen und erlernten Fähigkeiten. Es gibt Amateure, die großartige Inhalte schaffen, und Journalisten, die grandiose Peinlichkeiten produzieren. Ich kann mich auch als ganz privater Blogger an den Pressekodex oder ähnliche Regeln halten (und wenn ich ernst genommen werden will, sollte ich das vielleicht sogar). Ich kann solche Regeln als Journalist aber auch systematisch ignorieren (Beispiele dafür finden sich haufenweise bei Bildblog und Stefan Niggemeier). Will heißen: Eigentlich macht der Beruf, was die reine Produktion von Inhalten betrifft, keinen Unterschied.
Früher bestand die Rolle eines Journalisten darin, Berichtenswertes zu finden und darüber zu berichten, weil die Öffentlichkeit sich die Informationen nicht aus erster Hand holen konnte. Das kann sie jetzt oft. Insofern könnte sich der Journalist im Grunde darauf beschränken, das, worüber er früher berichtet hätte einfach zu verlinken. Daneben bliebe dann noch ein bisschen Zeit, selbst über interessante Dinge zu berichten, und darauf zu hoffen, dass das auch andere berichtenswert finden und verlinken. Aber ob das dann noch ein Beruf ist?
Vielleicht lautet die Antwort auch: Das Internet braucht Journalismus, aber nicht zwangsläufig Journalisten.