Meine Mitbringsel vom #ijf14 – oder: “Papierjournalismus” ist ein wunderbares Wort

Lesezeit: 3 Min., von Titus Gast gepostet am Sat, 3.5.2014
Tags: internet, journalismus, medien, multimedia, onlinejournalismus, ijf

„Printjournalismus“ heißt in Italien „Papierjournalismus“ (giornalismo di carta). Das habe ich in den letzten Tagen gelernt. Und ebenso habe ich gelernt: Dieser kleine, aber feine Bedeutungsunterschied eröffnet eine völlig neue Perspektive auf unseren Beruf. Eine, die einen wirklich weiterbringt.

Wo ich das gelernt habe? In Perugia. Nicht gerade einer der Metropolen Europas, auch nicht des Journalismus, möglicherweise aber durchaus der Innovation in selbigem.

Eigentlich unglaublich: Man kann jahrelang Journalismus betreiben und dabei nichts von diesem wunderbaren Festival Internazionale del Giornalismo / International Journalism Festival in Perugia (Italien) mitbekommen. Ich hatte das Glück, reichlich spät durch einen Tipp meines früheren und nach wie vor sehr geschätzten Kollegen Wolfgang Blau darauf aufmerksam zu werden. Dieses Jahr konnte ich diese Reise endlich verwirklichen. Das hat sich gleich in mehrfacher Hinsicht gelohnt. Denn anders als andere Medientagungen, die ich erlebt habe, ist hier nicht alles rückwärtsgewandt und in der Bewahrung des Vergangenen verhaftet. Nein, hier schauen Journalisten nach vorne. Optimistisch. Pragmatisch. Wow.

Eine Diskussion um Trägermedien führt nicht weiter

Meine wichtigste Erkenntnis ist wie gesagt die Vokabel „Papierjournalismus“. Nicht so sehr, weil ich gerne neue Vokabeln lerne. Auch nicht, weil ich mit Printjournalismus besonders viel zu tun hätte (ich bin ehrlich gesagt manchmal fast ein bisschen froh, damals von allen Zeitungen und der DJS, bei denen ich mich für ein Volontariat beworben hatte, abgelehnt worden zu sein). Aber: Dieser leichte Bedeutungsunterschied, der den Printjournalismus auf sein Trägermedium reduziert, lässt aus mancher aufgeblasenen Argumentation ganz wunderbar die Luft raus. Und man kann diesen Mechanismus auch auf andere lineare Medien anwenden: Beim Radiojournalismus müsste man von Radiowellenjournalismus sprechen, beim Fernsehjournalismus lasse ich Fernsehen notfalls auch als Trägermedium gelten.

Kommunizieren statt senden

Denn wenn wir die verschiedenen traditionellen Journalismusformen (auch schön finde ich den englischen Begriff „legacy media“ für traditionelle Medienunternehmen) auf ihre Trägermedien reduzieren, wird klar, dass jede Diskussion über deren Rettung rückwärtsgewandt ist. Würde man – dafür muss man noch nicht mal optimistisch sein – einfach vorurteilsfrei und ohne unseren ganzen Medienerfahrungsballast nach vorne blicken, müsste man von Textjournalismus, Bildjournalismus, Audiojournalismus, Bewegtbildjournalismus (Videojournalismus ist leider schon anderweitig mit einer Bedeutung belegt) sprechen. Und plötzlich wird klar: Das alles findet online genauso statt wie offline. Es gibt keinen sinnvollen Grund, diese Formen nicht im Netz zu betreiben oder dort nur mit halber Kraft unterwegs zu sein. Im Gegenteil: Wenn alte Trägermedien verschwinden oder weniger relevant werden, müssen wir uns eben auf die neuen konzentrieren.

Löst man sich von der linearen Form, bedeutet das aber immer: Journalismus ist mit der Fertigstellung eines Inhaltes niemals fertig. Abgeben und weitermachen als wäre nichts gewesen, funktioniert nicht mehr. Ein Satz hat sich bei mir eingebrannt: „Journalismus ist Konversation.“

Die meines Erachtens schönste Zusammenfassung formulierte allerdings Mario Tedeschini-Lalli (Direktor für Innovation und Entwicklung bei der Espresso-Gruppe):

„Digitale non è una tecnica, ma una cultura.“ „Digital(journalismus) ist keine Technik, sondern eine Kultur.”

 

Ich denke, wenn wir diese Kultur pflegen, stolz auf sie sind und weiter verbreiten, ist schon viel gewonnen. Wer diese Kultur der Konversation allerdings nicht verinnerlichen mag oder gar ablehnt, wird sich schwer tun. Also: An die Arbeit. Konversationskultur macht nämlich Spaß.

(Ich versuche, in den nächsten Tagen einige der Themen aus Perugia noch eingehender zu behandeln. Also: Stay tuned…)


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