Sardinien für Einsteiger

Lesezeit: 7 Min., von Titus Gast gepostet am Tue, 20.7.2010
Tags: sardinien, italien, agriturismo, reise

In den letzten Jahren wurde ich immer wieder von Bekannten und Freunden nach Tipps für einen Sardinien-Urlaub gefragt. Es hat sich offenbar im Bekanntenkreis herumgesprochen, dass ich unzählige Male dort Urlaub gemacht und auch für meine Magisterarbeit recherchiert habe. Immer wieder habe ich in langen Mails aufgeschrieben, worauf man achten sollte, bevor man das erste Mal nach Sardinien fährt. Damit nicht nur meine Freunde in diesen Genuss kommen und ich nicht alles immer wieder aufschreiben muss, kann ich es auch hier veröffentlichen.

Tipp 1: Unterschätz die Größe nicht!

Wer nach Sardinien will, muss sich entscheiden, wohin genau: Die Insel ist zu groß, um einfach „dorthin“ zu fahren, so wie „nach Elba“ oder „nach Mallorca“. Sardinien ist die zweitgrößte Insel des Mittelmeeres, nur geringfügig kleiner als Sizilien. Etwa 400 Kilometer fährt man beispielsweise von der nordöstlichen Ecke (um Olbia, wo viele Fähren landen) in den Südwesten um Carbonia/Iglesias. Selbst in die Hauptstadt Cagliari ist man gut und gerne einen Vormittag unterwegs. Einfach irgendwo einmieten und den Rest der Insel mit Tagesausflügen zu erkunden, funktioniert nur, wenn man sehr früh aufsteht, sehr spät ins Bett geht und sehr gerne sehr lange mit dem Auto fährt. Denn hinzu kommt: In Sardinien gibt’s zwar hervorragende Straßen, aber sie führen fast ausschließlich durch Berglandschaften. Will heißen: Es wird kurvig. Auf manchen Strecken braucht man locker eine Stunde für 50 Kilometer. Mindestens.

Tipp 2: Du brauchst ein Auto!

Weil Sardinien so groß ist, fährt man durchaus 30-50 Kilometer in die nächste (Klein-)Stadt. Hinzu kommt: Die wenigsten größeren Städte liegen direkt am Meer – und wenn, dann liegen die schönsten Strände doch außerhalb der Stadt. Wer sich noch ein bisschen für Kultur, Geschichte, Land und Leute interessiert, muss sowieso längere Strecken zurücklegen. Wer nur am Strand rumliegen will, kann auch woanders hinfahren oder sich an der Costa Smeralda im Möchtegern-Jet-Set-Ghetto vergnügen. Sardinien ohne Auto macht jedenfalls keinen Spaß. Es gibt zwar Busse, aber die Insel ist dünn besiedelt und wenn man was angucken will, sind Busse, die morgens hinfahren und abends wieder zurück, einfach nicht so prickelnd. Aber Vorsicht: Mietwagen sind auf der Insel selbst tendenziell teurer als auf dem Festland. Einzige Ausnahme von der Auto-Regel: Fahrrad-Touren. Die sind hier allerdings nichts für Flachland-Radler und Radweg-Fetischisten.

Tipp 3: Genießer fahren Schiff.

Wer nicht gerade mit dem Billigflieger nach Sardinien kommt, kommt mit einer Schiffsreise meistens günstiger weg – siehe oben. Die meisten Fähren fahren ab Genua, Livorno oder Civitavecchia (etwa 1 Stunde nördlich von Rom). Günstig und gut ohne großartigen Schnickschnack ist auf jeden Fall Sardinia Ferries/Corsica Ferries, weniger gut, aber immer noch günstig, sind die staatliche Tirrenia und Moby Lines. Teuer, aber auch luxuriös und mit einem Hauch von Kreuzfahrt-Feeling, geht’s mit der Fährgesellschaft Grandi Navi Veloci (GNV) nach Sardinien. Kleine Randnotiz: Der enorm einfallsreiche Name bedeutet übersetzt so viel wie „Große schnelle Schiffe“. Daneben gibt’s noch kleinere Fährgesellschaften wie Linea dei golfi, die ich noch nie ausprobiert habe. Bei allen lässt sich das Ticket online buchen, wenngleich der durchschnittliche Standard italienischer Online-Shops es einem nicht immer leicht macht. Als Alternative gibt’s in größeren deutschen Städten italienische Reisebüros, die sich freuen, wenn man bei ihnen bucht. Wer genug Zeit hat, nimmt eine möglichst lange Überfahrt über Nacht. Wer morgens mit Cappuccino und Croissant an Deck im Liegestuhl frühstückt, die Sonne hinter sich aufgehen und die Umrisse der Insel vor sich auftauchen sieht und dabei den warmen Wind von der Insel her spürt, weiß warum sich das lohnt.

Tipp 4: Immer genug im Tank haben!

Sardinien ist dünn besiedelt. Sehr dünn. Die gesamte Insel hat weniger Einwohner als Hamburg, ist aber größer als Rheinland-Pfalz oder Hessen – wobei etwa ein Drittel der Einwohner rund um die Hauptstadt Cagliari wohnt. Oft fährt man Dutzende von Kilometern, ohne auf größere menschliche Ansiedlungen zu treffen. Und Tankstellen gibt’s nicht gerade in jedem kleinen Dorf. Wer gerade an der Costa Verde oder im Supramonte-Massiv unterwegs ist, aber nur noch Sprit für 50 Kilometer im Tank hat, könnte ein Problem bekommen. Ach ja: Vollgetankter Ersatzkanister ist tendenziell keine gute Idee – der ist erstens in Italien verboten und könnte zweitens bei den Temperaturen im Sommer leicht platzen.

Tipp 5: Die Costa Smeralda und der Nordosten sind wirklich nur für Einsteiger.

Keine Frage: Im Norden Sardiniens und an der berühmt-berüchtigten Costa Smeralda (dem wohl immer noch angesagten Jet-Set-Paradies) gibt es wunderschöne Ecken. Dummerweise hat sich das herumgesprochen und zieht ein Publikum an, das sich nur unwesentlich von dem in gewissen Clubs in Mailand oder München unterscheidet. Dazu kommen jede Menge Möchtegern-Promis und ein paar Menschen, die sich auch mal so fühlen wollen. Wer sich zwischen Klischees und vielen anderen Touristen wohlfühlt, zum internationalen Jet Set gehört oder zum Freundeskreis von Silvio Berlusconi und dessen Freunden gehört, mag sich hier eventuell sehr wohlfühlen. Ansonsten lautet mein Rat: Mal hinfahren, gucken, staunen, kopfschütteln – und schnell wieder weg. Sardinien wird westlich von Porto Cervo und südlich von Olbia erst richtig schön.

Wer außerhalb der Hochsaison unterwegs ist, freut sich im Süden über noch ein bisschen angenehmere Temperaturen, und wer ab und an ein bisschen Stadt um sich herum braucht, freut sich auch über Cagliari, die Hauptstadt. In einer Entfernung von zehn bis 60 Kilometer gibt’s eine Menge Siedlungen direkt an spektakulären Stränden und Steilküsten (z.B. Geremeas, Torre delle Stelle, Santa Margherita di Pula, Villasimìus, Costa Rei). Allerdings sind das teilweise reine Feriendörfer, in denen außerhalb der Saison wenig los ist. Das kann ein Vorteil sein (viel Ruhe), aber auch ein Nachteil (Einkaufen, Essen gehen, etc. geht dann nur mit Auto).

Tipp 6: Lern Italienisch!

Italienisch ist nicht die Muttersprache Sardiniens. Sardisch ist eine eigenständige romanische Sprache, die sich sehr stark vom Italienischen unterscheidet. Ich schreibe das deshalb, weil man wissen sollte, dass bereits Italienisch für viele Sarden eine Fremdsprache ist, die sie erst in der Schule gelernt haben. Hinzu kommt, dass allgemein in Italien abseits von Adria und Toskana weitreichende Fremdsprachenkenntnisse nicht gerade wahnsinnig verbreitet sind. Will heißen: Manchmal trifft man in Sardinien Menschen, die Englisch radebrechen. Meistens nicht. Wer auf Französisch ausweichen kann, hat gute Karten (denn das lernen manche als erste Fremdsprache). Deutsch können aber meistens nur Rentner, die einen Teil ihres Berufslebens hart schuftenderweise in Deutschland verbracht haben. Davon gibt’s einige. Wer wirklich mit den Leuten reden will, sollte Italienisch können, Respekt haben und aufgeschlossen sein. Die Sarden sind erst mal abweisend, schroff, zurückhaltend und stolz – werden aber sehr, sehr herzlich, wenn sie auf ehrliches Interesse stoßen.

Tipp 7: Ferienwohnungen von privat und Agriturismo

Natürlich gibt es auf Sardinien Hotels. Es gibt sogar sehr gute, in denen auch allerlei Luxusgeschöpfe absteigen. Wer genug Geld hat, kann das tun, bekommt aber dann wahrscheinlich nicht allzu viel von Land und Leuten mit. Meiner Meinung nach gibt es exakt zwei vernünftige Varianten, in Sardinien Urlaub zu machen:

  1. Agriturismo: Wird meistens als „Urlaub auf dem Bauernhof“ übersetzt, was ziemlicher Blödsinn ist. Ich habe auch schon die Übersetzung „Landgasthof“ gehört, die es etwas besser trifft. Agriturismi sind heute meistens kleine Pensionen mit angeschlossener Super-Küche, authentisch und mit Familienanschluss bzw. viel Kontakt zu anderen Gästen (was sich schon alleine durch gemeinsames Abendessen ergibt). Es handelt sich oft um ordentliche Zimmer mit ausreichendem, aber nicht übertriebenen Komfort, dafür aber umso besserer Küche – wobei meistens sehr vieles aus eigenem Anbau oder eigener Aufzucht auf den Tisch kommt. Besonders interessant ist die Agriturismo-Variante für alle, die ein bisschen herum reisen wollen. Eine große Auswahl an Unterkünften vermittelt z.B. ferien-in-sardinien.com, komplette Rundreisen mit Fahrrad, Auto oder Motorrad organisiert Loredana Casula (selbst Sardin) mit ihrer Agentur sardinienpoint.de.
  2. Ferienwohnungen: Wer an wirklich schönen Stränden unter Einheimischen und ohne Jet-Set-Einschlag oder Adria-Feeling sonnenbraten möchte, kommt um eine Ferienwohnung fast nicht herum. Am besten eine, die auch Einheimischen gehört. Darauf hat sich zum Beispiel die Ferienwohnungsvermittlung SardinienHaus spezialisiert Die Häuser sind mal besser, mal schlechter – aber immer originell. Nicht immer darf man Luxus erwarten, denn Thomas Waldschmidt und seine Leute vermitteln nur Wohnungen, die Privatleuten gehören – die vermieten sie in den Zeiten, in denen sie sie nicht selbst nutzen.

Viele weitere gute Adressen finden sich in den wirklich guten Reiseführern über Sardinien. Als da wären:

  • Eberhard Fohrer: Sardinien: Reiseführer mit vielen praktischen Tipps., aus dem Michael Müller Verlag (Affiliate Link) – ISBN: 978-3956542244
  • Christiane Jaath, Peter Höh: Sardinien, Reihe Abenteuer + Reisen, gibt’s in mehreren Auflagen und ist mittlerweile vergriffen, aber durchaus immer noch zu gebrauchen.

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