Hässlichkeit mit Aussicht

Lesezeit: 2 Min., von Titus Gast gepostet am Sat, 29.5.2010
Tags: garibaldi, rom, vittoriano, italien

Jeder, der schon mal in Rom war, kennt es – aber keiner will es sehen: Das gigantische Vittorio-Emanuele-Denkmal ist zweifellos eines der hässlichsten und unbeliebtesten Gebäude in der Ewigen Stadt. Zu Unrecht: Denn die Aussicht auf dem weißen Klotz ist grandios.

Die Römer mochten dieses Gebäude noch nie besonders: Der gigantische weiße Komplex, der dem Forum Romanum den Rücken zuwendet, das Kapitol überragt und sogar höher als das Kolosseum ist, hat viele Spitznamen. „Schreibmaschine“ nennen es die Römer, aber auch „Hochzeitstorte“ oder „Luxuspissoir“.

Für eines der wichtigsten nationalen Symbole Italiens ist das natürlich wenig schmeichelhaft. Dieses gigantische Gebäude mitten in Rom ist aber auch abschreckend: Gitter davor, gestrenge Soldaten, die vor dem Grabmal des Unbekannten Soldaten Tag und Nacht Wache schieben, und immer wieder unbarmherzige Carabinieri, die ruhebedürftige Touristen mittels Trillerpfeifen aufscheuchen, nur weil die es gewagt haben, sich auf den Stufen des nationalen Heiligtums niederzulassen.

Die meisten Römer und Touristen tun einfach so, als wäre das Vittoriano nicht da. So wie in den letzten ca. 2.664 Jahren davor. Das Problem ist nur: Das Monument macht seinem Namen alle Ehre. Man kann es nicht übersehen. Ein schönes Bonmot besagt, dass es eigentlich nur einen Platz in Rom gibt, wo man den hässlichen Klotz nicht sehen muss: Das Vittoriano selbst.

Von dort aus lässt sich der Blick über Rom in seiner ganzen Pracht genießen. Und das fast kostenlos, denn als nationales Heiligtum ist das Vittoriano samt dem dort untergebrachten Museum frei zugänglich. Im Risorgimento-Museum lässt sich allerhand über die Geschichte der italienischen Einigung und den Nationalhelden Garibaldi erfahren, auf der Rückseite des „Altare della Patria“ („Vaterlandsaltar“) befindet sich eine nette Cafeteria, von der aus man schon bei einem Caffè oder einem Panino zu zivilen Preisen eine gute Aussicht genießen kann.

Neuerdings geht’s sogar noch eine Etage höher: Zwei Glasaufzüge befördern die Gäste auf das Dach des Vittoriano zwischen den beiden Quadrigen – diese Aufzüge allerdings kosten Geld, und nicht zu knapp. Doch es lohnt sich: von ganz oben hat man wirklich einen fantastischen Rundumblick über die Stadt. Unten mag der chaotische Verkehr auf der Piazza Venezia toben, hier oben herrscht Ruhe. Und kein großes weißes Denkmal stört die Aussicht.

Der Text erschien im Herbst 2007 im Italienportal von Tiscali Deutschland.


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