Gefangen im Telekommunikationschaos

Lesezeit: 9 Min., von Titus Gast gepostet am Wed, 6.1.2010
Tags: alice, congstar, dsl, internet, provider, sipgate, telekom, wechsel, zugang

Ich dachte, eigentlich könnte mir das nicht passieren. Ich hielt mich bis gestern für ziemlich bewandert in Telekommunikationsdingen. DSL-Anschluss, Festnetz, Voice over IP – das ist zwar alles schwer zu durchschauen, aber hey, wozu hab ich recherchieren gelernt? Also, das muss doch günstiger gehen. Dachte ich. Dann kam der Tag, an dem ich wechseln wollte.

Gut, einfach so zu irgendwem zu wechseln, das war mir dann doch zu heiß. Ich bin ja durchaus mutig, aber nicht leichtsinnig. Dazu habe ich schon zu viele negative Erfahrungen gemacht und gehört. Deshalb (und aus verschiedenen anderen Gründen, wovon der wichtigste die Flexibilität ist), entschied ich mich für folgendes Szenario:

  • Kündigung des bestehenden Telekom-Festnetzanschlusses.
  • Wechsel von einem zusätzlichen DSL-Anschluss auf Telekom-Basis von Congstar (Telekom-Tochter) in ein Congstar-Komplettpaket (entbündelter DSL-Anschluss ohne Festnetz).
  • Weitere Nutzung des bisher auch genutzten Voice-over-IP-Systems von Sipgate mit vorhandener Hardware (IP-Telefon).
  • Mitnahme der bisherigen Festnetznummer – entweder zu Congstar oder Sipgate.

Anfangs sah alles ganz toll aus: Ein Anruf bei der Congstar-Bestellhotline erbrachte ungefähr folgende Ausgangslage: Ein Wechsel wäre keine große Sache, Geschwindigkeit und Features des DSL-Anschlusses müssten gleich bleiben, es dürfte alles so funktionieren wie bisher. Prima, dachte und sagte ich, bestellte, und war glücklich, bald ein bisschen Geld zu sparen.

Rufnummern-Portierung für Anfänger

Das Unheil begann, als Congstar mir mitteilte, die Telekom hätte meine Telefonnummer nicht für die Portierung freigegeben, weil die Inhaberdaten nicht übereinstimmten. Ich rief bei der Telekom und bei Congstar an und bat um Aufklärung. Man konnte mir zunächst keine liefern. Nach mehrmaligem gemeinsamen, scharfen Nachdenken stellte sich als wahrscheinlichster Grund für die Ablehnung heraus, dass meine Adresse in beiden Systemen unterschiedlich hinterlegt war: Bei Congstar war die „Straße“ ausgeschrieben, bei der Telekom aber stand nur „Str.“ in den Anschlussdaten. Die Congstar-Mitarbeiterin riet mir darauf hin, das einfach schnell online zu ändern, was technisch aber nicht möglich war. Ein erneuter Anruf bei Congstar führte zu der Auskunft, dass ich die Adresse bei der Telekom ändern müsste, weil im Congstar-System bei dieser Art von laufenden Aufträgen keine Änderungen, sondern nur Stornierungen möglich seien. „Na gut, ändere ich es halt schnell online bei der Telekom“, dachte ich mir. Fehlanzeige. Ist online nicht möglich. Nächster Anruf bei der Telekom-Hotline. Die Mitarbeiterin, die ich jetzt dran hatte, schien ausnahmsweise mal kompetent zu sein, denn sie erklärte mir, dass eigentlich wegen Diskrepanzen von „Straße“ und „Str.“ keine Probleme auftauchen sollten. Es könnte aber sein, dass mein Anschluss unter einer anderen Hausnummer geführt werde, weil dort die Verteilerstelle sei, das komme manchmal vor. Nach längerem Hin und Her stellte sich heraus: Nein, das war wohl nicht der Grund. Vielmehr tauchte ein anderes Problem auf: Zwar läuft mein Telefonanschluss in Karlsruhe auf meinen Namen und meine hiesige Adresse, wir haben aber noch einen anderen Telefonanschluss in München. Dieser läuft auf den Namen meiner Frau, und wir beide sind – übergeordnet zu den einzelnen Buchungskonten – als Anschlussinhaber bei der Telekom gemeldet. So zumindest habe ich verstanden, was die freundliche Dame (warum sind es eigentlich fast immer Frauen?) mir erklärte. Zudem stellte sich bei dieser Gelegenheit heraus, dass dort auch noch meine frühere Adresse hinterlegt war, also weder Name, noch Adresse übereinstimmten. Ich habe also gelernt: Ausschlaggebend sind nicht die Inhaberdaten des konkreten Anschlusses, der portiert werden soll, sondern bei übergeordneten Kundenkonten dessen Daten. Aha. Dumm an der Sache war, dass ich diesen Umstand selbst als eingefleischter Do-It-Yourself-Kunde unter Nutzung der mir zur Verfügung gestellten Werkzeuge gar nicht hätte herausfinden können. Denn: Im Online-Kundencenter der Telekom war an beiden Stellen nur ich als Anschlussinhaber gemeldet. Zum Glück kostet in diesem einen Fall der Anruf bei der Hotline nichts.

Nun kam der nächste Schritt: Congstar klar machen, dass sie die Portierung doch bitte mit anderen Benutzerdaten versuchen sollten. Der wieder mal kostenpflichtige Anruf führte nach zwei ergebnislosen Versuchen und längeren Wartezeiten zu folgender Auskunft: „Wir können die Daten nicht ändern. Wir müssen den Auftrag stornieren und neu mit den anderen Daten einreichen. Dazu schreiben Sie uns am besten eine E-Mail, schildern uns den Sachverhalt und wir stornieren das dann.“ So geschah es. Und es wurde Nacht.

Neuer Versuch mit fatalen Folgen

Nächster Tag, nun wollte ich endlich so richtig bestellen. Über Nacht hatte ich mir auch überlegt, dass ich vielleicht besser meine Festnetznummer zu meinem bisherigen VoIP-Anbieter Sipgate portiere, weil ich dann sicher sein konnte, dass sie auch mit meinem IP-Telefon funktioniert. Ein wagemutiger Plan, der ins totale Chaos führte.

Zunächst mal startete ich mit einem neuen Anruf bei der Hotline: Ob es denn möglich wäre, einen Congstar-komplett-Anschluss auch ohne Portierung der bestehenden Festnetznummer zu bestellen, wollte ich wissen. „Ja“, meinte die nette Dame am anderen Ende der Leitung, „das können Sie online einfach so bestellen.“ Hurra, endlich wurde alles gut. Ich bestellte, online, wie ich’s am liebsten mache, weil ich nichts buchstabieren und keinen Bedingungen zustimmen muss, die ich nicht selbst gelesen habe. Und dort sah ich: Was mir die Hotline geraten hatte, einfach ohne Mitnahme der Rufnummer zu bestellen, geht eben nicht. Ich kann an diesem Punkt im Bestellformular nichts auswählen. Ob die MitarbeiterInnen die eigene Website wohl kennen?

„Übers Internet telefonieren? Aber bitte nur mit uns!“

Ich bin ja flexibel. Wenn nicht online, dann ruf ich eben noch mal an und bestelle das direkt bei der Bestell-Hotline. Dort brachte ich mein Anliegen nun zum gefühlten 753-tausendsten Mal vor und gestattete mir den Hinweis, dass ich ja einfach nur eine Internetleitung will, weil ich für Telefonie meinen bisherigen VoIP-Anbieter weiter nutzen möchte und die Rufnummer gerne zu diesem portieren möchte. Sinngemäß ging das Telefonat ungefähr so weiter: „Das geht aber mit unserem Komplettanschluss nicht.“ – „Bitte?“ – „Nein, sie können dann ja nur noch über Congstar telefonieren.“ – „Ja, aber ich kann doch übers Internet mit einem anderen SIP-Provider telefonieren, weil ich dafür ja nur einen DSL-Anschluss nutze.“ – „Nein, Sie haben dann ja nur eine Leitung. Ihr Festnetzanschluss fällt ja dann weg. Das heißt, Sie können kein Call-by-Call und keine Preselection und so was machen.“ – Ich: „Ja, das nutze ich ja auch nicht. Ich nutze den Festnetzanschluss gar nicht mehr.“ – „…?“ – Ich: „Wenn VoIP mit meinem Anbieter über meinen bisherigen Anschluss bei Ihnen funktioniert, warum sollte es dann mit dem Komplettanschluss nicht mehr funktioneren?“ – „Weil Sie ja bei uns einen VoIP-Anschluss haben.“ – „Ja, und was hindert mich daran, noch einen anderen zu benutzen?“ – „Sie bekommen von uns ja nur einen, Sie haben dann ja nur eine DSL-Leitung mit VoIP.“ – „Und warum funktioniert das denn bisher und hat auch funktioniert, als ich mal versucht habe, parallel VoIP über Congstar zu nutzen?“ – „Das war ja ein anderer Anschluss, da hatten Sie ja noch den Festnetzanschluss.“ Aha. Das Gespräch ging dann noch eine Weile weiter und wurde lauter, auch hinzugezogene Techniker vertraten weiterhin die Auffassung: Dass jemand einfach einen Internetanschluss nutzt, um Datenpakete von A nach B zu schicken und zu empfangen, geht zwar, aber anscheinend nicht wenn diese Datenpakete Voice over IP heißen. Als ich dann noch ins Spiel brachte, dass man mir aber bei der ersten Bestellung zugesichert habe, dass alles, was bisher funktioniert, auch nach dem Wechsel laufen würde, entwickelte sich die Unterhaltung eher in Richtung lautstarkem Vortrag über Kundenservice – denn dass ich es wage, verlässliche Aussagen von Mitarbeitern zu erwarten und womöglich nicht akzeptieren möchte, dass unterschiedliche Mitarbeiter sich widersprechende Aussagen treffen, ist offenbar nicht vorgesehen. Auch nicht, wenn man teures Geld für die Hotline bezahlt.

Service nicht inklusive

Mein persönliches Highlight-Zitat des Congstar-Mitarbeiters, den ich da am Apparat hatte, war aber: „Das wussten Sie doch vorher, dass Sie bei uns alles selbst per Internet machen müssen und keinen kostenlosen Service erwarten dürfen.“ Er riet mir, mein Problem in einer E-Mail zu schildern, man würde das dann mit der Technik abklären und ich bekäme so auch eine schriftliche Antwort, auf die ich mich verlassen kann. Diese E-Mail habe ich also vor zwei Stunden abgeschickt. Irgendetwas in mir sagte mir, dass meine Geschichte damit noch nicht vorbei ist.

Anruf von der Portierungsfront

Das Telefon klingelte. Am anderen Ende: Eine nette Dame aus dem hohen Norden, von der Telekom. Sie habe da einen Portierungsantrag vorliegen. Ich: „Aber der Auftrag ist doch schon storniert!“ Es stellte sich heraus: Offensichtlich war das noch nicht bis zur Telekom vorgedrungen und ich hätte nun die Wahl, dem zuzustimmen, dann ginge die Nummer heute noch an Congstar raus, oder ihn abzulehnen. Ich lehnte nach längerem Hin und Her dankend ab, bevor meine Festnetznummer unwiderbringlich im Wechselnirvana verschwand.

Bis hierher habe ich zwei Dinge gelernt: 1. Wenn du wechseln willst, erwarte keine Sachkompetenz von den Mitarbeitern der Telefonfirma deines Vertrauens. 2. Kommuniziere schriftlich und keinesfalls mündlich.

Nun bin ich sehr gespannt, was als nächstes passiert.

Nächster Akt

Nachtrag am 7.1.2010, 21:00 Uhr:

Congstar hat sich noch nicht auf meine Anfrage gemeldet. Mir ist auch nach Rücksprache mit technisch noch versierteren Kollegen keine Möglichkeit eingefallen, wie ein Telekommunikationsanbieter VoIP über andere Anbieter verhindern sollte, es sei denn, er überwachte den gesamten Netzwerkverkehr, was datenschutzrechtlich eine ziemlich bedenkliche Angelegenheit wäre. Allerdings bin ich in einem Forum tatsächlich über einen Hinweis darauf gestolpert, dass die Kombination Congstar komplett & Sipgate Schwierigkeiten nach sich ziehen könnte.

Inzwischen hatte ich auch bei Sipgate nachgefragt, ob man dort von Problemen mit Congstar-Anschlüssen wisse. Antwort: „Uns sind keine Einschränkungen bei Anschlüssen von Congstar und anderen Anbietern bekannt.“ Eigentlich eine klare Aussage.

Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob man wirklich einem Unternehmen vertrauen sollte, das 1. seine eigene Technik nicht erklären kann und 2. ganz offensichtlich gar kein Interesse daran hat, eine relativ simple Kundenanfrage zu beantworten. Immerhin wäre mir ja auch mit einer Aussage wie „Ja, Sie können unsere DSL-Anschlüsse auch ohne VoIP bestellen” geholfen gewesen

Suche nach Alternativen

Nun ist es ja so, dass Congstar komplett nur deshalb meine erste Wahl war, weil ich seit Jahren zufriedener Kunde war. Eine günstigere Alternative wäre Alice light. Kostet weniger, bietet einen nackten DSL-16.000-Anschluss ohne VoIP und sonstigen Schnickschnack. Die Hotline machte zwar einen eher unfreundlichen und unwilligen Eindruck, aber immerhin konnte man mir dort einen Geschwindigkeitskorridor nennen (10.000-16.000 kBit/s), der mir akzeptabel erscheint und versicherte mir, dass mein DSL-Modem-Router funktionieren würde. Also: Eigentlich kein großes Risiko.

Das Abenteuer geht weiter.

„Sie haben Post“

Nachtrag, 8.1.2010, 18:40 Uhr:

Congstar hat mir auf meine Anfrage hin geschrieben. Zwar schon vor ein paar Stunden, aber das macht es nicht wesentlich besser. Eigentlich hatte ich erwartet, eine Antwort auf die Frage zu bekommen, ob ich meinen VoIP-Anbieter Sipgate mit Congstar komplett benutzen könnte, denn das war der hauptsächliche Inhalt meiner E-Mail. Anstattdessen las ich:

„Ein einfacher Wechsel aus Ihrem Surfpaket zu einem komplett Anschluss ist leider nicht möglich. Bitte kündigen Sie Ihr Surfpaket bei congstar und bestellen im Anschluss Ihr gewünschtes komplett Produkt.“

Ähem… Ich ignoriere mal alle Deppenleerzeichen und verwirrenden Kleinschreibungen und stelle fest: Das war nicht die Frage. Mal abgesehen davon, dass diese Vorgangsweise bis zur Stornierung wegen einer fehlgeschlagenen Portierung, die trotzdem funktioniert hätte, wohl durchaus möglich war, weiß ich nicht, was an einer dermaßen offensichtlichen Standard-Antwort zwei Tage Zeit braucht. Aber egal. Ich fasse zusammen: Meine per E-Mail gestellte Frage wurde nicht nur ignoriert, sondern ich habe jetzt sogar eine allem Anschein nach falsche Auskunft schriftlich. Toll. Auch eine reife Leistung.


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