Twittertussi trifft wilde Netzgemeindler

Lesezeit: 3 Min., von Titus Gast gepostet am Mon, 12.11.2012
Tags: fernsehen, internet, medien, multimedia, onlinejournalismus, radio, twitter

Ich bin sehr positiv überrascht darüber, wie sich die Diskussion um die „Twitter-Tussis“ (bzw. den Meedia-Artikel dazu) entwickelt hat. Über das Wochenende tauchten doch an ganz verschiedenen Stellen immer neue, durchaus durchdachte Diskussionsbeiträge zu diesem Thema auf. Allesamt sehr lesenswert. So fruchtbar diese Diskussion sich auch entwickelt hat, glaube ich dennoch: Wir reden ein bisschen aneinander vorbei.

Soweit ich die verschiedenen Standpunkte überblicken kann, gibt es vor allem ein großes Missverständnis. Das ist die Annahme: „Wer (wie u.a. Dennis Horn und ich) die mittelfristige Abschaffung der Twitter-Tussi fordert, möchte keine Tweets in klassischen Medien.“ Das ist ehrlich gesagt Quatsch. Ich bin der Meinung: Tweets und andere Internet-Inhalte sollten nur als das präsentiert werden, was sie sind. Es geht um die Message und nicht um das Medium (bzw. um ganz genau zu sein: den Kommunikationsweg).

Ich zum Beispiel würde mir wünschen, dass die Twitter-Tussi keine Twitter-Tussi mehr ist, sondern eine Promi-Tussi, wenn sie über Promis bei Twitter redet, eine Sport-Tussi, wenn es um die Äußerungen von Sportlern geht, eine Wirtschafts-Tussi, wenn sie über die wirtschaftlichen Auswirkungen oder Schwierigkeiten von Internetunternehmen berichtet und vielleicht auch eine Volkes-Stimme-Tussi, wenn sie User-Feedback vorliest.

Dass es anders ist, entspringt derselben Logik, der Begriffe wie „Facebook-Mord“ (z.B. hier, hier und hier) hervorbringt, nur weil ein Mord via Facebook geplant wurde. Würden wir von einem Brief-Mord sprechen, wenn die Beteiligten sich per Brief verabredet hätten? Von einem Telefon-Mord, nur weil sie telefoniert haben? Also lassen wir das doch einfach.

Tweets sind – wie wohl alle Social-Media-Äußerungen – genau das: Äußerungen des Absenders. Die kann ich zitieren, wie ich einen O-Ton oder ein Zitat einbauen kann. Aber doch bitte dann im Kontext des Themas – und nicht des Mediums. Wir haben ja auch keine Telefonreporter, die von Telefonaten mit Promis berichten oder Interviewexperten, die moderieren, was Sportler oder Politiker ihnen ins Mikro erzählt haben.

Natürlich gibt es bei alledem Grenzfälle – und ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass nicht jeder Einsatz eines wie auch immer titulierten Internet-Vorlesers (besser: Internet-Erklärers) schlecht ist. Man sollte sich aber immer vorher fragen: Ist das Thema wirklich Twitter/Facebook/YouTube/wasauchimmer? Oder ist das Thema – wie bei der Wiederwahl Obamas z.B. vielfach und auch mir geschehen – nicht eigentlich: „Wie reagieren die Promis?“

Egal, wie sich ein Medium auch entscheiden mag, sollte man sich dick hinter die Ohren schreiben, was Frederic Huwendieck in seinem Diskussionsbeitrag bei Google+ so schön auf den Punkt gebracht hat: „Wir dürfen nicht wie Ethnologen klingen, die den wilden Stamm der Netzgemeindler erklären.“ Dass das leider noch viel zu oft gemacht (bzw. gefordert) wird, ist vermutlich der eigentliche Kern dieser Diskussion.


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